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der trüben Tage viele gehabt, manchen Vorwurf von Seiten ihrer Pflegemutter wie ihres Bruders hinnehmen, viele Entbehrungen ertragen müssen! Wenn Gustel ihr trockenes Brod mit jugendlichem Frohsinn verzehrte, hatte Sibylle das ihrige mit bittern Zähren benetzt.

            Und mit Fingerlings Rückkehr hörte die Not noch keineswegs auf; sie stieg vielmehr durch den Zuwachs eines Essers, dem ein ungewöhnlich strenger Winter das Lumpensammeln untersagte. Alle Wege im Gebirge waren hoch mit Schnee bedeckt, durch welchen das Schiebebocksrad nicht zu dringen vermochte, und zum Ankaufe eines Handschlittens waren keine Mittel vorhanden. Mit der größten Anstrengung nur brachte Fingerling kleinere Ladungen von Lumpen auf seinen Achseln fort, und was er daran gewann, reichte noch nicht zum Einkaufe des trockenen Brotes hin. Frauen- und Hülfsvereine gab es vor hundert Jahren noch nicht, daher die Haderlumpfamilie ihrer leiblichen Not unterlegen wäre, wenn nicht einzelne mitleidige Menschen ihre milde Hand aufgetan und jene unterstützt hätten. Zu diesen gehörten der Bürgermeister, Pfarrer, Einnehmer und jener wohlhabende Bauer aus Rommelshain, bei welchem Gottlob ein willkommenes Unterkommen gefunden hatte und welcher überdies noch allerhand Lebensmittel der Familie Fingerlings zukommen ließ.

            Es konnten vier Wochen seit Fingerlings Freilassung verstrichen sein, als die einförmige Lebensweise der Schellenberger durch einen ungewöhnlichen Fall

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