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kann ich unmöglich essen," äußerte Hanna von ihrem Stuhle aufstehend und den Löffel auf den Teller werfend, - "das sieht ja wahrhaft ekelhaft aus."

            Der greise Vater empfand diese Beleidigung zu sehr, er stand auf, nahm sein Tellerchen und setzte sich in den Winkel des Zimmers, ging, als er gegessen, ganz ruhig auf sein Zimmer und bereute mit Tränen so unklug gehandelt zu haben, indem er auf die Dankbarkeit seiner Kinder, vorzüglich seines Sohnes bauend, sich ganz entblößt hatte.

            In der nächsten Woche brauchte der Vater gar nicht an den Tisch seiner Kinder zu gehen, die Magd war beauftragt worden, dem Vater in einem Schüsselchen die Mahlzeit zu bringen, die er, weil Sultan gar nicht mehr beachtet wurde, endlich mit demselben teilte. Christian war, wie man zu sagen pflegt, so unter dem Pantoffel seiner Frau, dass er nichts gegen die gottlose Behandlung zu sagen wagte; ja, sie hatte ihn durch ihre Vorstellungen und Einflüsterungen so eingenommen, dass er ihr in allem recht gab.

            So ging es einige Wochen fort, die ganz öde und leer für den greisen Mann gewesen wären, hätte sich nicht der gute, unverdorbene Enkel, trotz des Verbotes seiner Mutter, zu ihm hineinschlichen, und ihn getröstet, - denn Kinderaugen sind schärfer wie Falkenaugen. Natürlich musste Gotthelf's Liebe gegen Mutter und Vater schwinden, was sie auch recht wohl bemerkten, sie klagten, wie so viele Eltern über die Unart und Gefühllosigkeit ihres Kindes, ohne den Grund in sich selbst zu suchen. Das mögen Eltern recht wohl beherzigen.

            Eine Vergnügungsreise der jungen Leute ließ sie den Vater ganz vergessen, und da er nicht Hungers sterben wollte, so gesellte er sich zu dem Gesinde, und aß mit demselben aus einer Schüssel. Ohne Murren ertrug er sein sich selbst geworfenes Loos und täglich war sein angenehmster Spaziergang nach dem Friedhof, wo er ganz seinen Gedanken nachhängen konnte. Sultan begleitete ihn auf allen Wegen. Auf dem Kirchhofe traf er zuweilen den Totengräber, welcher ebenfalls ein hochbetagter Mann war. "Nun, wo ist denn mein Plätzchen?" fragte heute scherzhaft Gottfried. "Ich wollt euch die Ruhe gönnen," versetzte, Trost zusprechend, der alte Horn auf seinen Spaten gestützt, - "es schläft sich hier überall süß." "Ja, guter Horn" - entgegnete Gottfried, sich die feuchten Augen streichend, - "ich habe einen Fehler gemacht, einen großen Fehler. Ich rechnete auf die Dankbarkeit meines Sohnes und mein Exempel war falsch. O Ihr Väter, möchte ich heute allen betagten Eltern zurufen, wenn Ihr ebenfalls alles an Eure Kinder gewendet habt, und dann rechnet auf ihre Dankbarkeit, seht Euch vor, entblößt euch nicht, denn diese Tugend ist selten, beinah fabelhaft geworden. Wäre ich heute

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